Effi Briest (1895) ist ein Roman von Theodor Fontane. Das Buch stellt sowohl einen Wendepunkt als auch einen Höhepunkt der Literatur-Epoche des poetischen Realismus dar.
Die Titelfigur entdeckt sich selbst im Alter von 17 bis 19 Jahren, heiratet, blüht in Berlin auf, wird dann ausgegrenzt, vegetiert vor sich hin und stirbt mit 29 Jahren.
Thematisch lässt sich Effi Briest mit anderen Romanen über die Ehe im 19. Jahrhundert aus weiblicher Sicht vergleichen, wie Anna Karenina und Madame Bovary, die ebenfalls Tragödien rund um den Ehebruch darstellen.
Inhalt
Zusammenfassung
Der Roman erzählt das Leben von Effi Briest. Sie ist eine junge Frau, fast noch ein Kind, die an den gesellschaftlichen Konventionen im Preußen des späten 19. Jahrhunderts zugrunde geht.
Baron Instetten, ein Mann, der Effis Mutter vor fast 20 Jahren einen Heiratsantrag gemacht hat, will das Mädchen, das erst 17 Jahre alt ist, heiraten. Nach den Flitterwochen in Italien zieht das junge Paar in das Seebad Kessin im fernen Pommern. Effi kann dort nie ganz glücklich sein. Sie hat Angst davor, dass ein Chinese, der früher in Kessin lebte, nun in ihrer Villa herumspukt.
Der Baron ist oft abwesend, so dass sie die Zeit mit dem Apotheker Alonzo Gieshübler und dem Major von Crampas verbringt. Mit Crampas hat sie eine heimliche Liebesbeziehung, die viele Jahre lang unentdeckt bleibt. Effi und Innstetten haben eine Tochter, Annie, die von dem katholischen Kindermädchen Roswitha betreut wird. Nach einiger Zeit wird Innstetten nach Berlin berufen, um im dortigen Ministerium zu arbeiten. Effi erlebt den Umzug nach Berlin als Befreiung und lebt ein paar Jahre glücklich. Als Effi eine Kur macht (die nach Ansicht des Arztes ihre Chancen auf eine erneute Schwangerschaft erhöht), findet Innstetten zufällig die Liebesbriefe, die Crampas an Effi geschickt hat, als sie noch in Kessin lebten. Um seine Ehre wiederherzustellen, muss er Crampas zu einem Duell herausfordern. Innstetten tötet Crampas, Effi darf weder zu ihrem Mann und ihrem Kind zurückkehren, noch ist sie bei ihren Eltern willkommen, die sich von ihr und ihrem Ehebruch distanzieren.
Effi wird krank. Der Arzt nimmt Kontakt zu ihren Eltern auf, und sie beschließen, dass Effi wieder bei ihnen einziehen darf. Ihr Gesundheitszustand verbessert sich kurz, aber sie kann nicht gerettet werden. Im Alter von nur 28 Jahren stirbt Effi Briest in ihrem Elternhaus im Dorf Hohen-Cremmen, nördlich von Berlin.
Figuren
Eine Liste der wichtigsten Figuren (Charaktere & Personen) des Theaterstücks "Effi Briest":
- Effi Briest
- Effis Familie
- Luise (oder Louise) von Briest, ihre Mutter
- Ritterschaftsrat (Ehrentitel) von Briest (etwa fünfzig Jahre alt), ihr Vater
- Leutnant Dagobert von Briest, der sehr fröhlich ist, wahrscheinlich in Effi verliebt ist, ihr Cousin
- Baron Geert von Innstetten, Effis Ehemann
- Major von Crampas, ein Freund Innstettens
- Apotheker Alonzo Gieshübler
- Sängerin Marietta Tripelli
- viele Nachbarn, Ärzte, Geistliche, Adlige ...
- zahlreiche Dienstboten, darunter Friedrich, Johanna, Christel, Roswitha ...
- Arbeitskollegen des Barons, darunter Wüllersdorf
Graphische Übersicht der Charaktere aus dem Roman "Effi Briest"
Handlung
Effi Briest ist die 17-jährige Tochter eines wohlhabenden deutschen Aristokraten und lebt mit ihren Eltern auf dem großen Gut Hohen-Cremmen in Ostpreußen, zusammen mit ihrer noch jungen Mutter und ihrem viel älteren Vater. Zu Beginn des Romans wirbt der 38-jährige Baron Geert von Innstetten, ein ehemaliger Verehrer ihrer Mutter, um die Hand von Effi. Effi und Geert heiraten und lassen sich nach einer Hochzeitsreise durch Italien schließlich in der kleinen Küstenstadt Kessin (nach dem Vorbild von Swinemünde) in Achterpommern nieder.
In Kessin gelingt es Effi nicht, das Eheglück zu finden und ihr jugendliches Bedürfnis nach Abwechslung zu befriedigen. Ihr Ehemann ist distinguiert, korrekt, einnehmend, verständnisvoll, aber sicher kein Romantiker oder Liebhaber. Er ist oft für längere Zeit von zu Hause weg, um zu arbeiten, während Effi glaubt, dass es in ihrem Haus spukt. So glaubt sie beispielsweise, eine Erscheinung eines Chinesen gehabt zu haben, der früher in Kessin lebte und nun dort begraben ist. Innstetten beruhigt sie zwar immer, aber er beruhigt sie auch (bewusst oder unbewusst) nicht vollständig. Außerdem weist er sie darauf hin, dass sie ihre Ängste nicht publik machen sollte, da dies seiner Karriere schaden könnte. Effi erlebt psychisch schwierige Zeiten und findet Trost nur in langen Spaziergängen durch die Dünen mit ihrem Hund Rollo und ihrer Freundschaft mit dem verkrüppelten Apotheker Gieshübler.
Neun Monate nach ihrer Heirat bringt Effi eine Tochter, Annie, zur Welt und stellt das Kindermädchen Roswitha ein. Etwa zur gleichen Zeit taucht auch Major Crampas mit seiner melancholischen Frau in Kessin auf. Crampas, ein fröhlicher Charmeur, ist von Effis Jugend angetan, spielt mit ihrem Unmut und schafft es schließlich, sie zu verführen (was im Roman übrigens nur in verschleierter Form beschrieben wird). Die Affäre mit Crampas wird von Effi raffiniert geheim gehalten, doch scheint sie mehr Ablenkung als Leidenschaft zu sein. So gerät die Affäre schließlich völlig in den Hintergrund, als Effi ein Jahr später mit Innstetten nach Berlin zieht, wo Innstetten im Ministerium arbeitet.
In Berlin hofft Effi, in einer neuen pulsierenden Umgebung mehr Lebensfreude zu finden, aber sie verfällt bald wieder in ihre alte Lethargie. "Wenn alle Frauen so sind, dann ist das schrecklich", seufzt sie, "und wenn sie nicht so sind, was ich nicht hoffe, dann geht es mir schlecht, mir fehlt das richtige Gefühl."
Als Effi 6 Jahre später zu einer Kur nach Bad Ems reist, entdeckt Innstetten einen alten Briefwechsel zwischen Effi und Crampas und damit ihre alte Affäre. Er fordert Crampas zu einem Duell heraus, bei dem er ihn schließlich tötet. Dann lässt er sich von Effi scheiden. Ihre Tochter Annie wird ihm zugeteilt.
Der letzte Teil des Romans beschreibt Effis weiteren psychischen Verfall und ihr Unglücklichsein. Sie lebt noch einige Jahre mit der einfachen Roswitha in einer kleinen Wohnung in Berlin und verlässt ihr Haus kaum noch. Als sie nach vielen Mühen ihre kleine Tochter wiedersehen darf, endet auch dies mit einer Enttäuschung, denn Innstetten hat Annie völlig eingeprägt, was sie sagen darf und was nicht.
Nachdem sie zunächst auch von ihrem Vater und ihrer Mutter abgelehnt wird, kehrt Effi schließlich in ihr Elternhaus zurück, wo sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert. Sie freut sich zwar darüber, dass Innstetten auf ihre Bitte hin den Hund Rollo nach Hogen-Cremmen kommen lässt, aber am Ende stirbt sie an ihrer Nervenkrankheit.
Sie stirbt jedoch nicht in Trauer, Bedauern oder Verbitterung, sondern resigniert. In ihren letzten Worten bittet sie ihre Mutter, Innstetten mitzuteilen, dass er ihrer Meinung nach letztendlich das Richtige getan hat:
"Bei dieser Geschichte mit dem armen Crampas, was hätte er denn sonst tun sollen? Und dann, womit er mich am tiefsten verletzt hat, dass er mein eigenes Kind in einer Art Ablehnung mir gegenüber erzogen hat, so sehr es mich auch trifft und so sehr es mir weh tut, auch darin hatte er Recht. Er soll wissen, dass ich in dieser Überzeugung gestorben bin. Es wird ihn trösten, erbauen und vielleicht versöhnen. Denn er hatte viel Gutes in seinem Wesen und war so edel, wie nur jemand sein kann, der ohne wahre Liebe ist."
Analyse
Wie viele seiner Romane hat Fontane auch Effi Briest der Wirklichkeit nachempfunden. Das Vorbild für Effi ist Else, Baronin von Plotho, deren Ehemann, nachdem er einige Liebesbriefe entdeckt hat, seinen Nebenbuhler ebenfalls im Duell tötet. Grundlegender als die Abhängigkeit von konkretem Quellenmaterial ist jedoch die Beziehung zwischen Effis Lebensweg und der Fontane aus Erfahrung bekannten Gesellschaftsordnung des damaligen Preußendeutschlands, in der Prestige, Ehre und Karriere die Regeln des gesellschaftlichen Umgangs markieren. Angst, Schuld, Buße, Zeit und Tod bilden in diesem Rahmen wichtige Nebenthemen, die Fontane in feinen Nuancen ausarbeitet.
Charakteristisch ist das letzte Kapitel des Buches, das mehr oder weniger das erste Kapitel wiederholt, nur dass Effi jetzt dort begraben ist, wo früher eine Sonnenuhr stand. Das Leben geht weiter wie bisher. Der Hund Rollo, der auf ihrem Grab liegt, scheint der Einzige zu sein, der an ihrem Tod gestorben ist.
Fontane hält sich als Schriftsteller deutlich im Hintergrund und gibt kein Urteil ab. Niemand wird konkret verantwortlich gemacht; es bleibt unklar, wem Fontanes Sympathien gelten. Es wird jedoch deutlich, dass der Autor Wert darauf legt, sich zu versöhnen und nicht auf einmal eingenommenen Positionen zu beharren.
- Die Erzählung in der Vergangenheit wird von einem außenstehenden, allwissenden, aber praktisch abwesenden Erzähler geführt, oder besser gesagt, der sich weigert, einzugreifen. Die Szenen, in denen Effi nicht oder kaum eingreift, könnten realistisch sein.
- Die Beschreibungen stammen im Großen und Ganzen von der fast alleinigen Hauptfigur.
- Die tatsächlichen Funktionen der Adligen bzw. Bürgerlichen sind unklar, ebenso wie ihre Tätigkeiten und ihr Einkommen.
- Der Altersunterschied scheint kein Problem zu sein.
- Die Beziehungen zwischen Herr und Diener sind explizit und für die damalige Zeit realistisch.
- Effis Beziehung zu dem Hund Rollo ist relevant, wenn man sie mit anderen Haustieren von Helden oder Heldinnen in fiktionalen Romanen vergleicht.
- Der Großteil des Textes besteht aus Gesprächen, vorwiegend Dialogen, manchmal Monolog(en), eventuell Binnenkonversation(en). Einige Teile des Textes haben einen schwer zu verortenden Ursprung, der von einer Erzählinstanz zu einem Aspekt von Effis Persönlichkeit schwanken lässt.
- Die Haupthandlung, die ehebrecherische Leidenschaft, wird verschleiert.
- Fontanes Text arbeitet mit dem Über-Ich: Dies sollte nicht existieren, also wird es nicht oder nur am Rande erwähnt. Effis Rückkehr von einsamen Spaziergängen am Meer, die Abweichungen, enden regelmäßig mit einem missglückten Rendezvous mit Roswitha (u. a. S. 202). Die Leidenschaft hinterlässt fast keine Spuren, außer dem Trennungsbrief, den Effi schreibt (S. 224), und vor allem das Paket mit Crampas' Briefen. Bis zur Entdeckung dieser Briefe geschieht fast alles, als ob nichts geschehen wäre. Es hätte genügt, all diese Beweise im richtigen Moment zu verbrennen oder sie gar nicht erst existieren zu lassen.
- Im Gegensatz zu Henrik Ibsens "Ein Puppenhaus", Dostojewskis "Der ewige Mann", Leo Tolstois "Anna Karenina", Arthur Schnitzlers "Unterleutnant Gustel" oder den Romanen von Elfriede Jelinek ist hier alles wieder in Ordnung, jeder findet sich damit ab, eine Form von Schicksal zu erdulden, ob es nun darum geht, zu wüten oder zugrunde zu gehen: Versöhnung. Jeder vergibt jedem.
Rezeption
Effi Briest hatte in Deutschland unmittelbar nach seinem Erscheinen großen Erfolg und erlebte innerhalb weniger Monate drei Auflagen.
Dass Effi Briest im zwanzigsten Jahrhundert ein populärer Roman blieb, ist vor allem Thomas Mann (Buddenbrooks) zu verdanken, der zeitlebens in Briefen und Essays auf seinen künstlerischen, ästhetischen und ethischen Wert hinwies. Er sagte, dass, wenn man seine Bibliothek auf 6 Romane reduzieren müsste, Effi Briest einer davon sein müsste.
Effi Briest war auch ein Lieblingsroman von Samuel Beckett, den er immer wieder mit Begeisterung gelesen hat.
Heute wird Effi Briest häufig an deutschen Schulen unterrichtet und diskutiert. Wieso eigentlich? Einige Kritiker nennen es die schlimmste Schullektüre aller Zeiten. Die Charaktere sind naiv gestaltet aber es eignet sich immerhin, um den eigenen Wortschatz zu erweitern. Die ellenlangen Beschreibungen, belangloses Geschwätz über Nichtigkeiten, etc. machen es zu einer idealen Einschlafhilfe.
Hintergrund
Elisabeth von Plotho (1853 - 1952; Baronin Elisabeth von Ardenne) diente offensichtlich als Inspiration für Effi Briest - auch wenn sie im Gegensatz zur Protagonistin deutlich länger lebte, und ihr Ehemann auch "nur" 5 Jahre älter was als sie selbst.
Es existieren einige Literaturverfilmungen, die allerdings allesamt mehr oder weniger "verunglückt" sind:
- Effi Briest, DDR 1970, 120 Minuten; Regie: Wolfgang Luderer
- Fontane Effi Briest, BRD 1974, 140 Minuten; Regie: Rainer Werner Fassbinder
- Effi Briest, Deutschland 2009, 117 Minuten; Regie: Hermine Huntgeburth
Literatur
- Josef Peter Stern: Effi Briest – Madame Bovary – Anna Karenina. In: Modern Language Review 52 (1957), S. 363–375.
- Peter Demetz: Formen des Realismus: Theodor Fontane. Kritische Untersuchungen. Hanser, München 1964.
- Horst Budjuhn: Fontane nannte sie „Effi Briest“: das Leben der Elisabeth von Ardenne. Ullstein/Quadriga, Berlin 1985.
- Cordula Kahrmann: Idyll im Roman: Theodor Fontane. Fink, München 1973.
- Heide Rohse: „Arme Effi!“ Widersprüche geschlechtlicher Identität in Fontanes „Effi Briest“. In dies.: Unsichtbare Tränen. Effi Briest – Oblomow – Anton Reiser – Passion Christi. Psychoanalytische Literaturinterpretationen zu Theodor Fontane, Iwan A. Gontscharow, Karl Philipp Moritz und Neuem Testament. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, S. 11 f., 14 u. 17–31, ISBN 3-8260-1879-6.
- Thomas Brand: Theodor Fontane: Effi Briest. Königs Erläuterungen: Textanalyse und Interpretation, 253. C. Bange Verlag, Hollfeld 2011, ISBN 978-3-8044-1951-3.
- Denise Roth: Das literarische Werk erklärt sich selbst. Theodor Fontanes „Effi Briest“ und Gabriele Reuters „Aus guter Familie“ poetologisch entschlüsselt. Wissenschaftlicher Verlag Berlin WVB, Berlin 2012, ISBN 978-3-86573-679-6.
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