WortlehreWortlehre

Bei der Analyse einer (politischen) Rede steht die Untersuchung der verwendeten sprachlichen Stilmittel, aber vor allem auch der Inhalt der Rede und deren Ziel im Mittelpunkt. Sie ist wie eine Textanalyse und berücksichtigt auch das Publikum und die Umstände der Rede.

Die Redeanalyse wird häufig im Bereich der politischen Geschichtsforschung und der Rhetorik verwendet, um charakteristische Elemente der Sprache historischer Persönlichkeiten zu vergleichen und Kunstgriffe verstehen zu lernen.

Beispiele für politische Reden sind: Buch und Demokratie (Bundeskanzler Helmut Schmidt) sowie Rhetorik in der Demokratie (Bundespräsident Roman Herzog).

Struktur

Beschreibung

  1. Redeanlass: aktuelle Problemlage, Neuausrichtung der Politik, ritualisierter Termin...
  2. Textsorte: Programmrede, Gedenkrede, Eröffnungsrede, Parteitagsrede...
  3. Historische und kommunikative Situation: historisch-politische Bedingungen - Formen der Inszenierung - Nutzung von Medien
  4. Rollenverteilung: Sprecher und Zuhörer - beteiligte Gruppen und Adressaten - Dritte
  5. Redeintention: Botschaft der Rede, Absicht des Redners, angestrebte Wirkung - (Hypothese)
  6. Sachinhalte: Informationen - Wirklichkeitsbezüge - Inhaltsgliederung
  7. Strategien: Aufwertung - Abwertung - Beschwichtigung - Konsensfindung - Kampfansage - ... s.u.
  8. Sprache / Wortwahl (Semantik): sachliche (aktuelle) Schlüsselwörter - politisch-ideologische (parteigebundene) Leitbegriffe - Schlagwörter und Klischees - Assoziationskerne - ... s.u.
  9. Stil: Umgangssprache, Hochsprache, Standardsprache - Fachsprache - Höflichkeit und Verbindlichkeit - Kampfsprache - Flüssigkeit und Verständlichkeit (Satzbau) - im Ton: feierlich, sachlich, freundlich, aggressiv, kämpferisch, ermutigend...
  10. rhetorische Mittel: Metaphern, Euphemismen, Zweier- und Dreierfiguren, Kli­max, Antithetik, Parallelismus, Chiasmus, Hyperbel, Ironie, Ellipse, Anakoluth, Akkumula­tion, Alliteration, Anapher, Metaphern, Anspielungen...

Interpretation

  1. emotionale und konkrete Wirkungen: vermutlich auf die Zeitgenossen - nach­weisbar aus Quellen und Reaktionen - auf heutige Leser
  2. Kritisches Lesen / Hinterfragen der Ideologie: Grundeinstellung des Redners - Weltanschauung - offene oder verdeckte Einflussnahme aus einem parteilichen Standpunkt heraus - Umgang mit politischer, sozialer, wirtschaftlicher Macht
  3. Funktion der Rhetorik: unmittelbar in der Situation - im Text - zur Selbstinszenierung des Redners

Bewertung

  1. Perspektive: die eigene Sicht gegen die Perspektive des Redners - im Bewusstsein der „historischen Differenz“: aus heutiger oder zeitgenössischer Sicht - im Vergleich mit Parallelinformationen - im Vergleich mit der historischen Entwicklung und den Folgen -...
  2. Quellenkritik: zur Quellenüberlieferung - zur Autorschaft - zur medialen Vermittlung

Quelle: Günther Einecke (http://www.fachdidaktik-einecke.de/ — 2003-2022)

Argumentation

Traditionell steht die Argumentationsanalyse und die rhetorische Analyse im Mittelpunkt der Redeanalyse. Hinzukommen sollte die Analyse der Redestrategien. Sie wurden mit „Aufwertung - Abwertung - Beschwichtigung“ bereits von Zimmermann (1971) angesprochen.

Strategien sind über die einzelnen Sätze, Argumente und rhetorischen Mittel hinausgreifende, weit reichende und absichtsvolle Maßnahmen, mit denen in einer konkreten Situation eine Beeinflussung anderer erreicht werden soll; dabei werden in Reden besonders psychologische Methoden der Einflussnahme eingesetzt. Eine Strategie ist erst wählbar, wenn der Redner sein Ziel, seine Intention und Absicht festgelegt hat.

Elemente der Argumentation: Thesen, Antithesen - Behauptungen - Begründungen (Normen, Autoritäten, logische Beweise, Konsequenzen, Vor- und Nachteile...) - Beispiele - Analogien (vergleichbarer Sachverhalt) - Zitate - Forderungen - Appelle; Argumente: zur Sache, mit Blick auf die Erwartungen der Zuhörer, mit Blick auf ihre Gefühle (wie Mitleid, Hass...), mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse, mit Blick auf den Gegner ...

Quelle: Günther Einecke (http://www.fachdidaktik-einecke.de/ — 2003-2022)

Redestrategien

Siehe auch Hauptartikel Redestrategie.

  1. Abwertung der Gegner
  2. Angebot
  3. Angstverbreitung
  4. Anklage
  5. Aufwertung der Wir-Gruppe
  6. Begründung, rational
  7. Beruhigung
  8. Beschwichtigung
  9. Bestätigung
  10. Brückenbauen
  11. Dank
  12. Desinformation
  13. Diffamierung
  14. Drohung
  15. Emotionalisierung
  16. Entschuldigung
  17. Ermutigung
  18. Gedenken
  19. Ideologisierung
  20. Information
  21. Kritik
  22. Lob
  23. Mahnung
  24. Nachdenken, explizit
  25. Offenlegung der Ziele
  26. Offenlegung von Maßstäben
  27. Parzellierung der Gegner
  28. Polarisierung durch Freund- und Feindbilder
  29. Rat
  30. Schuldzuweisung
  31. Selbstkritik
  32. Suggestion
  33. Sündenbock-Methode
  34. Tabubruch
  35. Übernahme von Verantwortung
  36. Überredung
  37. Umdeutung
  38. Unterstützung
  39. Verharmlosung
  40. Vermittlung
  41. Verzerrung anderer Positionen

Entsprechende Strategien finden sich als Gesprächsstrategien auch in vor allem öffentlichen und medienvermittelten Gesprächsrunden, an denen die Gesprächspartner mit interessengebundenen Absichten teilnehmen: Podiumsdiskussionen, Talkshows, Chats… (Literatur. s.u.)

Quelle: Günther Einecke (http://www.fachdidaktik-einecke.de/ — 2003-2022)

Semantik

Semantik (von altgriechisch sēmaínein, deutsch ‚bezeichnen, ein Zeichen geben‘), auch Bedeutungslehre, ist eine der 3 Disziplinen der Semiotik, der wissenschaftlichen Betrachtung von Zeichen. Die Semantik behandelt die verschiedenen Beziehungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem, vor allem für sprachliche Zeichen. Mit dieser Einschränkung ist sie Teil der Linguistik, aber sie kann sich auch mit Zeichen und Symbolen aller Art, etwa auch von Artefakten oder Kunstwerken befassen.

Hierbei wird das Augenmerk auf die einzelnen Wortarten gelegt, d. h., es werden die sogenannten Inhaltswörter hinsichtlich deren Häufigkeit im untersuchten Text und ihren semantischen Gehalt hin untersucht. Im Wesentlichen wird dabei Folgendes ermittelt:

  1. politische Leitwörter – ideologische Polysemie ideologisch besetzte Begriffe - Polyseme (mehrdeutige Begriffe, Leerformeln): soziale Gerechtigkeit, Vaterland, Demokratie, Freiheit, Marktwirtschaft, Solidarität, Reform, ...
  2. Phrase - Topos – Stereotyp festgelegte Wortgruppen und Bilder, schematisch benutzt: nichts für ungut; der kleine Mann; die Verbraucher; der Mittelstand;
  3. Sprachebenen Hochsprache - Standardsprache - Umgangssprache - Jargon: exquisit, schön, dufte, echt geil
  4. Soziolekt Gruppensprache (Manager, Verwaltung): z.B eine Verfügung erlassen
  5. Fachsprache politische, ökonomische...: Hammelsprung, Gewinnwarnung, ...
  6. Denotation & Konnotation & Assoziation lexikalische Bedeutung / kulturell tradierte, mitgedachte Bedeutung / subjektiv spontan hinzugefügte Vorstellung: Schlange = Reptil / Verführerin (biblische Tradition) / Ekel, Gift, Biss, Tod, Spinnen ...
  7. Kontextuelle Bedeutung Bedeutung im Textzusammenhang: „Fenster“ - in einem Text über Architektur oder über Computer
  8. Verschlüsselungen übertragene Bedeutung - bildlicher Gebrauch: Vergleich, Metapher, Symbol; Personifizierung; Allegorie; Chiffre...: BSE-Krise, Schweineberg, ...
  9. Euphemismus Beschönigung, Banalisierung, Herunterspielen: Müllverbrennung als thermische Entsorgung
  10. Hyperbel Übertreibung: Die benehmen sich immer wahnsinnig daneben
  11. Dramatisierung sprachliche Verschärfung einer Situation: Es ist jetzt fünf Minuten vor zwölf!
  12. Personalisierung ein Problem an einer Person festmachen: Der Oppositionsführer schafft es nicht, ...
  13. Emotionalisierung - Rationalisierung mit Gefühlen zudecken: Das sollte euch aber zu Herzen gehen! - Gefühle ausklammern: Wieso Angst? Da muss man einfach handeln!
  14. Polarisierung Zwiespalt (zwischen Gruppen) herstellen: Die Alten verbrauchen die Zukunft der Jungen.
  15. Eingreifende Sprachhandlungen Vorwurf, Rechtfertigung: Das solltest du doch vermeiden! - Unterstellung, Beschuldigung: Ihr hattet ja wieder nichts besseres zu tun, als ...
  16. fragwürdige Argumentation falsche Verallgemeinerung: Alle Männer wollen nur das eine. - unbewiesene Behauptung: Kernkraftwerke sind sicher. - unzulässige Schlussfolgerung: Da ihr keine Hausaufgaben ge¬macht habt, gehe ich davon aus, dass euch der Text nicht gefallen hat. - ...
  17. Auf- / Abwertung: Die Mannschaft war in Top-Form. - Die Mannschaft spielte völlig unter Niveau.
  18. Beschwichtigung Konfliktminderung durch Verharmlosung: Das kann ja wohl jedem unterlaufen.
  19. Lüge, Täuschung Behauptung wider besseres Wissen: Wir haben das Problem der Arbeitslosigkeit im Griff.

Die Analyse kann in einer Feststellung der Merkmale der Propagandasprache (z.T. nach Uta Wernicke: Sprachwissen. Hamburg: Handwerk und Technik [1974] 1978, 168) münden:

  1. hohe Emotionalität der Sprache (Pathos, Steigerungen durch Superlative, Wiederholungen und häufige Reihung von Einzelwörtern und Sätzen, rhetorische Figuren)
  2. starke Wertungen (zahlreiche Wertbegriffe und wertende Adjektive), besonders zur Diffamierung des Gegners
  3. Vorliebe für religiöse, kämpferische, nationalistische und militärische Begriffe
  4. Imperativischer Stil (Vorliebe für das Modalverb „müssen“, imperativische Anweisungen)
  5. Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit der Begriffe (Polysemie: „Freiheit“) und allgemeine Verschwommenheit des Ausdrucks, asso­ziationsreiche Begriffe (Konnotationen: das zum Wort Hinzugedachte)
  6. formalisierte Sprache (Schlagwörter, Slogans, stereotype Wendungen, feste Adjektiv-Nomen‑Koppelungen)
  7. niedrige Stilebene
  8. Scheinlogik (scheinlogische Satzverflechtung)
  9. Meinungssätze als Tatsachensätze ausgegeben
  10. mit Killer-Phrasen Gegner als Unterlegene behandeln: Sie werden zugeben, dass ...; Ihre Worte zeigen...; Sie werden nicht darum herumkommen... ; Bekanntlich ist es so, dass...; Dazu fehlt Ihnen die Erfahrung...; Sie können sich doch nicht der Logik verschließen...; Wissenschaftliche Ergebnisse haben gezeigt, dass...; Das ist grundsätzlich richtig, aber...; etc.

Quelle: Günther Einecke (http://www.fachdidaktik-einecke.de/ — 2003-2022)

Literatur