Der
Konspekt ermöglicht eine Sicherung des Textverständnisses: Inhalt,
Gedankengang und Struktur eines Textes fixieren. Das Anlegen eines Konspektes
ist ein Verfahren, die Lesekompetenz zu steigern.
Zumeist
gilt: Konspekt = allgemeine Inhaltsübersicht, um die inhaltliche Struktur eines
Textes besser zu überblicken; s.:
http://www.lahn-dill.com/johanneum/methoden/textueber1.htm
http://www.ni.schule.de/~pohl/unterricht/facharb/exzerpt.htm#Konspekt
Meine Erweiterung: grafischer
Konspekt, mit dem die inhaltliche Struktur eines Textes zu visualisieren
ist.
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Konspekt:
Man
kann den
gedanklichen Aufbau, die Struktur eines vorgelegten Textes grafisch veranschaulichen, als
Tabelle: unter ausgewählten Kategorien - aus dem Text selbst oder durch den Leser geprägt - in zugehörigen Spalten die zentralen Informationen aus dem Text geordnet eintragen; ggf. Spiegelstrichblöcke für Zusammengehöriges
Verlaufsdiagramm: linear der Textvorlage folgend die Schlüsselwörter oder zentralen Themabegriffe und ggf. Fakten untereinander anordnen
Strukturdiagramm
(der eigentliche Konspekt): die gedankliche Struktur, d.h. die zentralen
Inhalte und die gedanklichen Bezüge
1. zentrale
Gedanken, Aussagen, Argumente: inhaltliche
Schlüsselwörter (Einzelwörter - max. Wortgruppen aus dem Text selbst -
unter starker Beschränkung der Text-/Schreibmenge, d.h. keine Sätze!!) übersichtlich auf dem Blatt
anordnen 2. mit analytischem Beschreibungsvokabular die Bezüge zwischen den Gedanken und Textteilen benennen, z.B. "These, Beispiel, Begründung, Ursache, Folge, Gegensatz, Kontrast, Vergleich, Schlussfolgerung, Vergleich, Wiederholung, Tatsache, Meinung, Bewertung, ..." - dabei kann man zur Übung die Signalwörter der gedanklichen, logischen und argumentativen Verknüpfung (Konnektoren und explizite Hinweise) als Belege angeben: Adverbien wie folglich, adverbiale Bestimmungen wie aus diesem Grund, Konjunktionen wie obwohl, Numerale wie erstens, explizite Formulierungen wie daraus ist zu schließen etc.
3. die logischen Beziehungen zwischen diesen Gedanken mit
Bezugspfeilen, Kontrastdoppelpfeilen, Verbindungslinien, Einrahmungen, Kreisen etc.
grafisch darstellen Den gesamten Konspekt auf Folie für die Präsentation anlegen. |
Zu unterscheiden wäre noch:
der Konspekt als mentales Modell für den gedanklichen Aufbau und den Argumentationsverlauf in einem expositorischen, argumentativen, rhetorischen Text (Essay, Rede, Kommentar, Stellungnahme...)
der Konspekt als mentales Modell für einen faktischen Sachzusammenhang in einem informierenden Text (Fachbuchausschnitt, Lexikonartikel, Definition, Sachbericht, Gegenstandsbeschreibung...)
Georg
Christoph Lichtenberg: Das große Genie und der gemeine Haufen
(1772/73)
Der
gewöhnliche Kopf ist immer der herrschenden Meinung und der herrschenden Mode
konform, er hält den Zustand in dem sich alles jetzt befindet für den einzig möglichen
und verhält sich leidend bei allem. Ihm fällt nicht ein, dass alles von der
Form der Meublen bis zur feinsten Hypothese hinauf in dem großen Rat der
Menschen beschlossen werde, dessen Mitglied er ist. Er trägt dünne Sohlen an
seinen Schuhen, wenn ihm gleich die spitzen Steine die Füße wund drücken, er
lässt die Schuh-Schnallen sich durch die Mode bis an die Zehen rücken, wenn
ihm gleich der Schuh öfters stecken bleibt. Er denkt nicht daran, dass die Form
des Schuhs so gut von ihm abhängt, als von dem Narren, der sie auf elendem
Pflaster zuerst dünne trug. Dem großen Genie fällt überall ein: könnte auch
dieses nicht falsch sein? Er gibt seine Stimme nie ohne Überlegung. Ich habe
einen Mann von großen Talenten gekannt, dessen ganzes Meinungs-System, so wie
sein Meubeln-Vorrat, sich durch eine besondere Ordnung und Brauchbarkeit
unterschied, er nahm nichts in sein Haus auf, wovon er nicht den Nutzen deutlich
sah, etwas anzuschaffen, bloß weil es andere Leute hatten, war ihm unmöglich.
Er dachte, so hat man ohne mich beschlossen, dass es sein soll, vielleicht hätte
man anders beschlossen, wenn ich mit dabei gewesen wäre. Dank sei es diesen Männern,
dass sie zuweilen wenigstens wieder einmal schütteln, wenn es sich setzen will,
wozu unsere Welt noch zu jung ist. Chineser dürfen wir noch nicht werden. Wären
die Nationen ganz von einander getrennt, so würden vielleicht alle obgleich auf
verschiednen Stufen der Vollkommenheit zu dem sinesischen Stillstand gelangt
[sein].
[»Sudelbuch« - Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S.
126111 (vgl. Lichtenberg-SuB Bd. 1, S. 195 ff.)]
Armut
in Köln: Mehr Reiche, viel
mehr Arme
Stadt
legt Bericht vor: "Die Kluft wird immer größer"
- 24
000 Minderjährige leben von Sozialhilfe
Von
unserem Redakteur Andreas Damm
Immer
mehr Menschen besitzen ein immer größeres Vermögen, auf der anderen Seite
breitet sich die Armut weiter aus. Zu diesem Ergebnis kommt der Kölner
Sozialbericht, den Sozialdezernentin Ursula Christiansen am Freitag vorgelegt
hat. Der Grundsatz "Wohlstand für alle" verliere offensichtlich an
Bedeutung, lautet eine Erkenntnis. "Die Kluft zwischen Arm und Reich wird
immer größer. "
Laut
Angaben des Statistisches Landesamtes über die damals noch bestehende Vermögenssteuer
lebten 1993 in Köln 8779 Millionäre. Rund 10 500 Menschen besaßen zwischen
einer halben und einer Million Mark. Den Besitz dieser beiden Gruppen
bezifferten die Statistiker auf mehr als 13 Milliarden Mark. Bemerkenswert"
findet die Stadtverwaltung die Steuerbelastung der Einkommensmillionäre:
"Je höher das Einkommen, desto niedriger die durchschnittliche
Steuerbelastung."
In
den zurückliegenden Jahren sei der Anteil der Menschen mit einem monatlichen
Netto-Einkommen von mehr als 4000 Mark gestiegen, heißt es in dem
Sozialbericht. Dem wachsenden Wohlstand steht eine drastische Zunahme der
Sozialhilfeempfänger gegenüber. Waren 1980 noch 13 000 Haushalte auf Hilfe
angewiesen, so waren es 1992 bereits mehr als 27 000, im vorigen Jahr hat das
Sozialamt fast 40000 Haushalte mit 70 000 Personen unterstützt. Inzwischen erhält
jeder 14. Kölner Sozialhilfe, die kommunalen Sozialausgaben sind auf mehr als
500 Millionen Mark im Jahr gestiegen.
Als
bedrückend bezeichnete Christiansen die hohe Zahl der Kinder und Jugendlichen,
die in Armut aufwachsen. 24 000 Minderjährige leben in Familien, die Geld vom
Sozialamt bekommen. Annähernd 9000 Kinder unter sechs Jahren gelten als bedürftig
fast jedes sechste Kind dieser Altersgruppe. "Je mehr Kinder die Familien
haben, desto größer ist das Risiko, in die Anmut abzurutschen", berichtet
die Dezernentin.
Besonders
schwierig ist die finanzielle Lage für allein erziehende Mütter. Von den rund
20 000 Familien, in denen es nur einen Elternteil gibt, bezieht mehr als jede
dritte Sozialhilfe; in neun von zehn Fällen sind es die Mütter, bei denen die
Kinder wohnen.
Was
sind die Ursachen für die wachsende Anmut? "Das Hauptproblem ist die
Arbeitslosigkeit", sagt Christiansen. In der früher von Großindustrie
geprägten Stadt Köln sind überdurchschnittlich viele Menschen ohne festen
Job; hinzu kommt, dass die Arbeitsämter ihre Leistungen Schritt für Schritt
gekürzt haben. Dennoch glaubt die Beigeordnete, es werde "tendenziell aufwärts
gehen - weil wir alle Anstrengungen unternehmen, um Arbeitsplätze zu halten und
neue zu schaffen".
Als
ärmsten Stadtbezirk weist der Sozialbericht den ehemaligen Industrievorort Kalk
aus. Hier leben, im Verhältnis zur Einwohnerzahl, die meisten Sozialhilfeempfänger.
Im Vergleich mit anderen Großstädten liegt Köln im Durchschnitt. In Bremen,
Hamburg, Dortmund und Frankfurt gibt es - gemessen an der Gesamtbevölkerung -
zum Teil erheblich mehr Bedürftige.
Der 150 Seiten starke, von Kommunalpolitikern seit langem geforderte Bericht soll dem Rat und der Verwaltung Informationen geben, wo Hilfe besonders erforderlich ist. Weitere Studien etwa zur Lage auf dem Wohnungsmarkt, sollen folgen. [KStA 18.4.1998]
Um
die Informationen eines Textes zusammenzufassen, kann man einen Konspekt
anlegen:
1)
Entwickelt eine solche grafische Übersicht über den Gedankengang des Textes
„Armut in Köln“ in der Form eines Verlaufsdiagramms,
das den Ablauf zeigt,
2)
oder eines Strukturdiagramms, das mit Pfeilen die gedanklichen Bezüge
vermittelt.
Lehrerband:
Kölner Sozialbericht zur Sozialhilfe Kluft „Arm - Reich“ 8799 Millionäre in Köln 70000 Sozialhilfeempfänger Armut der Kinder (24000) und ihrer Familien Ursachen: Arbeitslosigkeit Kürzung der Hilfen Brennpunkt: Köln-Kalk Vergleich: Köln im Durchschnitt der Großstädte Absicht des Berichts: Information der Politiker |
|
3)
Konspekt zu „An der Grenze zur Armut“ - als dritte Variante in Tabelle
mit Spiegelstrichblöcken nach
Kategorien:
These und Beleg: |
·
wachsende Zahl der Armen (2,7
Mio. mit Sozialhilfe) |
Betroffene/Ursachen: |
-
Arbeitslose -
Alleinerziehende -
alte Frauen -
Junge ohne Berufseinstieg |
Definition: |
·
Armut in reichem Land = Leben
am Existenzminimum
- Unterschied zu armen Ländern |
Folgen:
|
-
am Essen sparen -
wenig kulturelle und soziale
Beteiligung |
Beispiel:
|
·
Ausgrenzung von 1 Mio.
Kindern: keine Aktivitäten wie Zoo, Geburtstag, Schulausflug... |
Forderungen: |
1. Neugestaltung von Kindergeld/Familienlastenausgleich 2. neue Arbeitsmarktpolitik und Kombi-Lohn (=Sozialhilfe + Arbeitslohn)
3. Betreuung von Kindern |
Beispiel
in: Facetten. Lese- und
Arbeitsbuch Deutsch für die Oberstufe. Leipzig:
Klett 2001, 140 ff. [Einecke]
Den gedanklichen Aufbau, die Struktur
eines Textes grafisch veranschaulichen - Konspekt:
im Text die zentralen Gedanken, Aussagen, Argumente einkreisen - überlegen, wie
sie aufeinander aufbauen - in Form von Schlüsselwörtern übersichtlich
verteilt auf ein Blatt notieren: Über- und Unterordnung, Gegensätze, Zusammenhänge,
Ursachen/Folgen, Tatsachen/Meinungen, Thesen/Beispiele und andere Bezüge
zwischen den Gedanken mit entsprechenden Begriffen sowie mit Bezugspfeilen
grafisch darstellen
Zu einem Text einen Konspekt anlegen
Die
grafische Übersicht über den Gedankengang eines Textes in der Form eines Verlaufsdiagramms,
das den Ablauf zeigt, oder eines Strukturdiagramms,
das mit Pfeilen und Begriffen die gedanklichen Beziehungen vermittelt. - Dabei
kann es durchaus unterschiedliche Lösungen geben.
1
Vergleichen Sie die beiden Konspekte zum darauf folgenden Text; achten
Sie auch auf die sprachliche Umsetzung:
A)
B)
Zeit = unumkehrbarer Fluss physikalische Zeit: ohne Richtung Vergleich: Zeit und Raum Zeit: nacheinander, Zukunft beeinflussbar Vergangenheit nur in Erinnerung Raum: nebeneinander, jede Richtung möglich freie Bewegung Zeitfluss = „Zeitpfeil“ bestimmt das Leben: Tod geistige und physikalische Erfahrungen vergleichbar |
|
Wir
alle wissen um den unumkehrbaren Fluss der Zeit, der unsere Existenz zu
bestimmen scheint: Die Vergangenheit ist unwandelbar, die Zukunft ist offen. Wir
wünschen uns manchmal, die Uhr zurückdrehen zu können, um einen Fehler
ungeschehen zu machen oder eine glückliche Stunde nochmals zu erleben. Aber
dies ist, wie wir wissen, unmöglich - der Augenblick wird nicht verweilen, die
Zeit nicht rückwärts laufen.
Aber
können wir uns wirklich sicher sein ? Überraschenderweise geben die großen
naturwissenschaftlichen Theorien der alltäglichen Erfahrung mit der Zeit wenig
Unterstützung - in ihnen spielt die Richtung der Zeit praktisch keine Rolle.
Newtons klassische Mechanik, Einsteins Relativitätstheorie, die Quantenmechanik
von Schrödinger und Heisenberg, alle diese großen Gedankensysteme würden
ebenso gut funktionieren, wenn die Zeit rückwärts liefe. Wenn man einen Film
herstellte, in dem alle Ereignisse mit diesen Theorien beschreibbar wären, so könnte
man anschließend beim Zusehen nicht entscheiden, ob der Film vorwärts oder rückwärts
durch den Projektor läuft beide Versionen sind gleich plausibel.
Dass
die Zeit nur eine Richtung aufweist, scheint als Illusion im Geist zu entstehen.
Häufig sprechen daher Naturwissenschaftler, wenn sie mit dem alltäglichen Gefühl
verfließender Zeit konfrontiert sind, eher herablassend von «erlebter» oder
von «subjektiver Zeit».
Könnte
es sein, dass irgendwo im Universum die Zeit gerade andersherum fließt, als wir
es gewohnt sind - an einem Ort, wo sich die Menschen aus dem Grab erheben, ihre
Falten verlieren und schließlich in den Mutterleib gelangen. Es wäre eine
Welt, in der Düfte in Parfümflaschen zögen, wo Wellen auf dem Wasser
zusammenliefen und Steine herausschleuderten, wo die Luft in einem Raum sich
spontan in ihre Bestandteile zerlegte, eine Welt, in der sich Gummifetzen zu
prallen Luftballons formten und Licht, aus den Augen der Astronomen kommend, von
den Sternen absorbiert werden würde. Und vielleicht sind damit die Möglichkeiten
noch gar nicht erschöpft: Könnte es, wenn man diesen Gedanken weiterverfolgt,
nicht auch sein, dass dies alles hier auf der Erde geschieht ? Können wir alle
in die Vergangenheit gesaugt werden ?
Dies
widerspricht aller Erfahrung, die uns lehrt, dass die Zeit immer in eine
Richtung fließt. Vergleichen wir Zeit und Raum, so wird die Besonderheit der
Zeit noch deutlicher: Der Raum umgibt uns, die Zeit dagegen erfahren wir
abschnittsweise nacheinander. Der Unterschied zwischen verschiedenen Richtungen
wie links und rechts ist trivial, verglichen mit dem Unterschied zwischen
Vergangenheit und Zukunft: Wir können uns frei in den Richtungen des Raumes
bewegen, aber wir können mit unseren Handlungen nur die Zukunft beeinflussen,
nicht die Vergangenheit. Wir haben Erinnerungen, kein Vorauswissen (wenn man von
Sehern absieht). Dinge pflegen im Allgemeinen eher zu zerfallen, als sich von
sich aus zusammenzufügen. Wir erleben, dass im Raum keine, in der Zeit dagegen
nur eine Richtung bevorzugt ist. Sie
bewegt sich wie ein Pfeil. Diesen sehr anschaulichen Ausdruck «Zeitpfeil» («the
arrow of time») hat zuerst der britische Astrophysiker Arthur Eddington im
Jahre 1927 geprägt. [...]
Die
Unumkehrbarkeit der Zeit enthüllt sich hier als Quelle des Wertes alles
menschlichen Lebens. Unausgesprochen, doch im Gesagten mitschwingend, taucht der
schließliche Sieg des Todes auf. Und dies ist auch eine Verbindung zur
naturwissenschaftlichen Sehweise, denn die Tatsache, dass jedes Lebewesen schließlich
stirbt, ist der deutlichste Hinweis auf das Fließen der Zeit. In jeder Erklärung
der Welt muss dieses Phänomen einen gebührenden Platz finden. Arthur
Eddington: „Bei jedem Versuch, den Brückenschlag zwischen dem Reiche
geistiger und dem physikalischer Erfahrung zu tun, wird es vor allem nötig
sein, das Wesen der Zeit zu ergründen.“
[Peter Coveney / Roger Highfield: Anti-Chaos. 1990. Reinbek: Rowohlt 1992, 17 - 20]
© G. Einecke - www.fachdidaktik-einecke.de