Die deutschen Literatur wird typischerweise in Epochen eingeteilt, die jeweils durch charakteristische Merkmale gekennzeichnet sind. Die Werke, die in einem gemeinsamen Zeitabschnitt fallen, weisen dabei i.d.R. ähnliche stilistische und formale Eigenschaften auf.
Zur deutschsprachigen Literatur zählen Prosa & Lyrik, die in Deutschland, Österreich, den deutschen Teilen der Schweiz und Belgiens, Liechtenstein, Luxemburg, Südtirol in Italien und in geringerem Maße auch in der deutschen Diaspora entstanden ist.
Hinweis: die Epochen überlappen sich teilweise und sind nicht trennscharf. Auch unter Experten ist die Einteilung zum Teil umstritten. Zudem ist der Übergang zwischen zwei Epochen immer fließend.
Die mittelalterliche deutsche Literatur ist die in Deutschland geschriebene Literatur seit der Karolingerdynastie; für das Ende des deutschen literarischen Mittelalters werden verschiedene Daten genannt, wobei die Reformation (1517) als letzter möglicher Endpunkt gilt. Die althochdeutsche Periode wird etwa bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts angesetzt; die berühmtesten Werke sind das Hildebrandslied und das Heliand genannte Heldenepos. Das Mittelhochdeutsche beginnt im 12. Jahrhundert; zu den wichtigsten Werken gehören der Ring (ca. 1410) und die Gedichte von Oswald von Wolkenstein und Johannes von Tepl.
Die Barockzeit (1600 bis 1720) war eine der fruchtbarsten Zeiten der deutschen Literatur. Die moderne Literatur in deutscher Sprache beginnt mit den Autoren der Aufklärung (wie Herder). Die Empfindsamkeitsbewegung der 1750er bis 1770er Jahre endet mit Goethes Bestseller Die Leiden des jungen Werther (1774). Die Bewegungen des Sturm und Drang und der Weimarer Klassik wurden von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller angeführt. Die deutsche Romantik war die dominierende Bewegung des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts.
Das Biedermeier bezieht sich auf die Literatur, die Musik, die bildende Kunst und die Innenarchitektur in der Zeit zwischen 1815 (Wiener Kongress), dem Ende der Napoleonischen Kriege, und 1848, dem Jahr der europäischen Revolutionen.
Unter dem NS-Regime gingen einige Autoren ins Exil (Exilliteratur), andere unterwarfen sich der Zensur ("Innere Emigration"). Der Literaturnobelpreis wurde vierzehn Mal (Stand 2020) an deutschsprachige Autoren verliehen, d. h. am zweithäufigsten, gleichauf mit den französischsprachigen Autoren, nach den englischsprachigen Autoren (mit 32 Preisträgern). Zu den Preisträgern gehören Thomas Mann, Hermann Hesse, Günter Grass und Peter Handke.
Die deutsche Literatur der Neuzeit ist größtenteils in Standarddeutsch verfasst, doch gibt es einige Literaturströmungen, die mehr oder weniger stark von Dialekten (z. B. Alemannisch) beeinflusst sind.
Inhalt
Frühmittelalter (750–1050)
Hintergrund
- Teilung des Fränkischen Reiches
- Missionierung, Christianisierung
- von der Kirche geprägte Gesellschaft
- Wikingerstürme
- Lehnswesen
Motive
- Bibeldichtung
- Glossen
- Katechistisch-pastorale Übersetzungs- und Interpretationsarbeit
- vereinzelt Heldensagen, Zaubersprüche und Weihinschriften
- geringe Überlieferungsdichte macht jeden Text mit nur einem althochdeutschen Wort zu Literatur i. w. S.
Merkmale
- vielfach Einsatz von Stabreim/ Alliteration (z. B. Hildebrandslied, Muspilli, Heliand)
- Übergang von Stabreim- zu Endreimtechnik
Autoren
- vornehmlich anonyme Autoren bzw. Schreiber
- Otfrid von Weißenburg
- Notker III Labeo (auch. N. von St. Gallen)
- Williram von Ebersberg
- Otloh von St. Emmeram
Hochmittelalter (1050–1250)
Hintergrund
- Festigung des Rittertums
- stark von Religionen geprägtes Weltbild
- der Hofstaat als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens
Motive
- vor allem Themen, wie Minne, Abenteuer und Kreuzzug
Autoren
- Gottfried von Straßburg
- Neidhart
- Reinmar der Alte
- Rudolf von Ems
- Ulrich von Liechtenstein
- Hartmann von Aue
- Walther von der Vogelweide
Spätmittelalter (1250–1470)
Hintergrund
- stark von Religion geprägtes Weltbild
- Macht der Könige sank, während die der Kurfürsten stieg
- Städte als neue Bildungszentren neben den Höfen
- Pestepidemien in ganz Europa um 1350
Motive
- geistliche Reorientierung nach den Pestepidemien
Autoren
- Hugo von Trimberg
- Heinrich von Meißen
- Johannes von Tepl (Saaz)
Humanismus und Renaissance (1470–1600)
Hintergrund
- 1492: Entdeckung Amerikas
- Astronomische Erkenntnisse
- Neue Erfindungen
- Neues Weltbild
- Reformationszeit
- Übersetzung der Bibel
- Gutenbergs Bibeldruck
Motive
- Menschlichkeit
- Gedankengüter aus der Antike
Autoren
- Erasmus von Rotterdam
- Francesco Petrarca
- Marsilio Ficino
- Giovanni Boccaccio
- Ulrich von Hutten
- Johannes Reuchlin
Reformation (1517–1648)
Hintergrund
- Ablassbriefe
- Reformversuch der römisch-katholischen Kirche
- Martin Luthers 95 Thesen
Motive
- Rückkehr zur religionsverbundenen Kirche
Autoren
- Martin Luther
- Huldrych Zwingli
- Johannes Calvin
Barock (1600–1720)
Hintergrund
- Absolutismus (Ständegesellschaft)
- Dreißigjähriger Krieg
- (Auseinandersetzung Katholiken und Protestanten)
Motive
- Genuss des Augenblicks, Schönheit in der Natur … → Gott als Schöpfer
- Beständigkeit, Selbstdisziplin im Glauben
- Vergänglichkeit von Leid, Unglück…
- Abkehr vom Weltlichen zu Gott
- Leitmotive: Vanitas, Memento mori, Carpe diem
Merkmale
- Sonett
- Finalstruktur
- Antithetik
- ausgeprägte Metaphorik
Autoren
- Martin Opitz
- Casper von Lohenstein
- Andreas Gryphius
- Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
- Caspar Ziegler
- Paul Fleming
- Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
- Angelus Silesius
Aufklärung (1720–1800)
Hintergrund
- Deutschland besteht aus über 300 Einzelstaaten
- Luxuriöses Hofleben der Fürsten auf Kosten des Volkes
Motive
- Kritik an der Kirche und Religion
- Kritik an staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen
- Unbedingter Fortschrittsglaube
- Toleranz in Gesellschaft, Politik und Religion
- Individualismus
- Das Gute und das Vernünftige werden gleichgesetzt
- Menschlicher Verstand soll die Wahrnehmung beherrschen
- Geistige Emanzipation
Merkmale
- Fabel
- Parabel
- Bürgerliches Trauerspiel (Katharsis)
Autoren
- Immanuel Kant
- Gotthold Ephraim Lessing
- Christoph Martin Wieland
- Johann Christoph Gottsched
- Voltaire
Empfindsamkeit (1740–1790)
Hintergrund
- Stellt keine Gegenbewegung zur Aufklärung dar, sondern ergänzt das Denken mit der Ebene der Empfindungen (hist. wie Aufklärung)
Motive
- Pietismus (pflichtbewusste Frömmigkeit)
- Gefühlsbetontheit
- In-sich-Gekehrtheit
- Freundschaft
- Naturnähe
Autoren
- Friedrich Gottlieb Klopstock
- Christian Fürchtegott Gellert
- Sophie von La Roche
Sturm und Drang (1765–1785)
Hintergrund
- Jugendprotestbewegung (hist. wie Aufklärung)
Motive
- Emotion wird wichtiger als Rationalität der Aufklärung
- Persönlichkeitsideal des Genies mit einfühlendem Verhältnis zur Natur
- Brechen von Regeln
- Gegen Traditionen, Autorität und veraltete Moralvorstellungen (Vätergeneration)
- Wichtige Themen waren das menschliche Dasein wie auch die Phantasie
- Pantheismus
- Freiheitspathos
- gefühlsbetonter Patriotismus
Merkmale
- Briefroman
Lyrik:
- liedhaft einfach
- freie Rhythmik
Autoren
- August Bürger
- Friedrich Schiller
- Friedrich Maximilian Klinger
- Johann Wolfgang von Goethe
- Johann Gottfried Herder
Weimarer Klassik (1786–1805)
Hintergrund
- Französische Revolution (1789–1799)
- Herrschaft Napoleons
- Reformen in Preußen:
- Bauernbefreiung
- Selbstverwaltung der Städte
- Gewerbefreiheit
- Judenemanzipation
- Bildungsreform
- Heeresreform
- Niederlage Napoleons
Motive
- Werke der (griechischen, römischen) Antike als Vorbild
- Für die Werte der Aufklärung, insbesondere der französischen Menschenrechtserklärung: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
- Gegen die revolutionäre, imperialistische oder allgemein gewaltsame Durchsetzung der Prinzipien von Liberalismus, Nationalismus und Demokratie.
- Menschlichkeit/Humanismus
- Toleranz
- Übereinstimmung von Mensch und Natur
- Freiheit von Gewalt
- ästhetische Erziehung
- Natur als Ort der Veredelung des Menschen
Merkmale
- Orientierung an Antike
- regelmäßig gebundene, kunstvolle Verssprache
- Gedankenlyrik
Autoren
- Christoph Martin Wieland
- Johann Wolfgang von Goethe
- Johann Gottfried Herder
- Friedrich Schiller
Romantik (1795-1835)
Hintergrund
- Zum Historischen siehe Klassik und Biedermeier
Motive
- Sehnsucht → Fernweh / Heimweh
- Psyche (der Figuren)
- Ironie
- Wander- und Reisemotiv → andere Welten
- Häufiger Gebrauch von Fabelwesen
- Nacht/Dämmerung bekommen besondere Bedeutung (Verklärung)
- Verherrlichung des Mittelalters
- Realität / Traum
- Flucht vor der Wirklichkeit
- Kritik an
- Spießertum / Neuen Tugenden (Pünktlichkeit, Fleiß, Genauigkeit, Sparsamkeit u. a.)
- Mensch steht unter Maschine
- Poetisierung
Merkmale
- subjektive Sicht
- Rücken-, Schwellensituation
- Märchen
- Volksliedhaftigkeit
- Ganzheitlichkeit (Vereinheitlichung von Musik, Literatur, Kunst)
Autoren
- Achim von Arnim
- Bettina von Arnim
- Clemens Brentano
- Adelbert von Chamisso
- Joseph Freiherr von Eichendorff
- Karoline von Günderrode
- E. T. A. Hoffmann
- Jakob Grimm
- Wilhelm Grimm
- Wilhelm Müller
- Novalis
- August Wilhelm Schlegel
- Friedrich Schlegel
- Ludwig Tieck
- Ludwig Uhland
- Wilhelm Heinrich Wackenroder
Biedermeier (1815–1848)
Hintergrund
- 1815: Wiener Kongress
- 1815: Gründung Deutscher Bund
- Karlsbader Beschlüsse (1819) bringen:
- Verbote von Burschenschaften (gerade erst gegründet worden)
- Zensur von Buch und Presse
- Spitzel werden erlaubt
- Restaurationspolitik von 1815 bis 1848 (wegen der Kriege gegen Napoleon)
- 1848 Märzrevolution
- Zeit der Industrialisierung
Motive
- Einfach geschrieben (Sprache, Form)
- Alltägliche Handlung mit genauer Beschreibung
- Melancholisch (Resignation, Schwermut, Stille, Verzweiflung)
- Heimatverbundenheit
- Religion
- Ordnung
- Unterordnung unter das Schicksal
- Schlichte Genügsamkeit (zufrieden mit dem was man hat, wie innerer Frieden/kleine Glücksmomente)
Merkmale
- Balladen
- historische Dramen
- Rührstücke
Autoren
- Franz Grillparzer
- Eduard Mörike
- Annette von Droste-Hülshoff
Junges Deutschland und Vormärz (1825–1848)
Hintergrund
Zum Historischen siehe Biedermeier
Motive
- Demokratische Freiheitsrechte
- Gegen Romantik und Klassik
- Für Aufklärung
- Gesellschaft solle keine Autorität ohne Hinterfragen anerkennen
- Vormärz (ab 1840)
- Radikaler als Junges Deutschland (Ziel eines Umsturzes/Revolution)
- Gegen Absolutismus
Merkmale
- Journalismus: Feuilletons
- erzählende Literatur: Zeit- und Gesellschaftsromane
- Sprache: salopp, provozierend, satirisch
Autoren
- Heinrich Heine
- Karl Gutzkow
- Heinrich Laube
- Ludolf Wienbarg
- Theodor Mundt
- Georg Büchner
- Ludwig Börne
Realismus (1850–1890)
Hintergrund
- Zeit der Industrialisierung
- Märzrevolution 1848
- Einigungskriege (insbesondere Deutsch-Französischer Krieg 1870/1871)
- Reichsgründung 1871 (Wilhelm I. Kaiser, Bismarck Kanzler)
- Sozialgesetze (zur Bekämpfung der sozialen Ungleichheit)
- Politik gegen Liberale und Sozialdemokraten
- 1888: Kaiser- und Politikwechsel
Motive
- Positivismus
- Darstellung der Wirklichkeit (keine Träume)
- Theorien Charles Darwins
- Wichtigkeit des Bürgertums
- Kombination aus genauer Realitätsbeschreibung und subjektiver Erzählhandlung
- Einfach (Form, Inhalt, Stoff)
Merkmale
- Entwicklungsroman
- erzählende Literatur
- stilistische Objektivierung (Rahmenerzählungen, Rückgriff auf Zeitungsmeldungen und Gesellschaftsnachrichten)
Autoren
- Marie von Ebner-Eschenbach
- Theodor Fontane
- Gustav Freytag
- Franz Grillparzer
- Jeremias Gotthelf
- Friedrich Hebbel
- Paul Heyse
- Gottfried Keller
- Conrad Ferdinand Meyer
- Wilhelm Raabe
- Ferdinand von Saar
- Adalbert Stifter
- Theodor Storm
Naturalismus (1880–1900)
Hintergrund
- Zeit der Industrialisierung
- Große Fortschritte in der Wissenschaft (z. B. Dampfturbine 1884, Schallplatte 1887, Dieselmotor 1893)
- Politische Macht durch Bismarck
- Stabilität in Europa (bis zu Bismarcks Abtritt 1890)
Motive
- Beginn der Moderne
- Abgrenzung zum poetisierten Weltbild der Romantik
- Sozialkritisch (Themen wie Großstadtleben, Hunger, Kinder, Armut, Prostitution, Alkoholsucht)
- Die Wirklichkeit durch Natur
- Theorien von Charles Darwin
- Naturwissenschaften als Grundlage
- Humanität
- Toleranz
- Mensch ist von Milieu und Rasse abhängig (Determination)
Merkmale
- Dokumentarischer Charakter
- Sekundenstil
- detailliert, auktorial
- Zeitdeckung
Autoren
- Wilhelm Bölsche
- Michael Georg Conrad
- Hermann Conradi
- Heinrich Hart
- Julius Hart
- Gerhart Hauptmann
- Arno Holz
- Johannes Schlaf
- Bruno Wille
- Ernst von Wolzogen
Jahrhundertwende (1890-1918)
Mit Naturalismus und Symbolismus beginnt das, was man oft als die Klassische Moderne bezeichnet. Die Literatur von 1890 bis zum Ersten Weltkrieg ist geprägt von zahlreichen sich teils widersprechenden wie ergänzenden Strömungen. Die meisten Autoren lassen sich in mindestens eine dieser Stilrichtungen einordnen.
Fin de Siècle
Ausgehend von der französischen Literatur, besonders der Lyrik der Symbolisten Charles Baudelaire, Stéphane Mallarmé und Arthur Rimbaud wie ihrer Rezeption im Westen und Norden Europas, verbreitete sich um die Jahrhundertwende auch in Deutschland eine Literatur, die sich vom Objektivitätsanspruch des Naturalismus verabschiedete.
Impressionismus
Als wichtigster Dichter gilt Detlev von Liliencron (1844–1909), ein weiterer Dichter war Max Dauthendey (1867–1918). Als bedeutendster Erzähler gilt Eduard von Keyserling (1855–1918) mit seinem Roman "Wellen". Die impressionistische Lyrik zeichnet sich durch eine Serialität von Sinneseindrücken aus. Ebenfalls in seiner Kurzprosa ist der Schweizer Robert Walser ein Impressionist("Der Gehülfe").
Symbolismus
Die wichtigsten Vertreter des deutschen Symbolismus sind der Dichter Stefan George (1868–1933), der österreichische Dichter, Dramatiker, Essayist wie Erzähler Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) und der Dichter wie Essayist und Erzähler Rainer Maria Rilke (1875–1926). Gemein ist den Symbolisten die Abkehr von einer mimetischen Darstellung der Wirklichkeit sowie die Enthebung der Kunst aus dem Reich der Notwendigkeiten als absolute Dichtung. Der klangliche Ausdruck ist von hervorragender Bedeutung.
Dekadenzliteratur
Schriftstellerische Vorbilder waren französische Erzähler, darunter die Realisten Gustave Flaubert und Guy de Maupassant sowie der Ästhetizist Paul Bourget und Maurice Barrès, für die provokativen Autorenrolle vor allem Oscar Wilde. Weitere Anreger für die Prosa der Dekadenzliteratur waren die dänischen Impressionisten Jens Peter Jacobsen und Herman Bang. Im Gegensatz zu den französischen Dekadenzliteraten wie Joris-Karl Huysmans in seinem Roman "Gegen den Strich", welcher tatsächlich die Degeneration aufgrund einer inneren Verödung vorführt, waren die bedeutendsten deutschsprachigen Vertreter Skeptiker, Ironiker und Tragiker der Dekadenz.
Arthur Schnitzler (1862–1931) wirkte als Dramatiker um die Jahrhundertwende mit psychologisch starken Dramen. Ein weiterer bedeutender Dramatiker der Dekadenzliteratur war Frank Wedekind (1864–1918) mit seinen Stücken Frühlings Erwachen (UA 1906) und Erdgeist (UA 1898). Die Wedekindsche Kritik am Bürgertum forcierte Carl Sternheim (1878–1942) in politische Satiren wie Die Hose (UA 1911), womit er die Dekadenz durch eine Kampfansage an die Zeitumstände hinter sich lässt.
Thomas Manns (1875–1955) erster Roman Die Buddenbrooks von 1901 enthält bereits im Untertitel Verfall einer Familie das Hauptthema der Dekadenz.
Neuromantik
Dichter wie Agnes Miegel, Börries Freiherr von Münchhausen, Ina Seidel, Ricarda Huch und Gertrud Kolmar führten die Transformation der Moderne nicht selten in Mystifizierungen fort.
Hermann Hesse (1877–1962) gilt in seinem Frühwerk als ihr wichtigster Erzähler, obgleich er stilistisch sich am Realismus Gottfried Kellers und in der Entwicklung seiner Figuren unter anderem an der Analytische Psychologie Carl Gustav Jungs orientierte.
Jugendstil
Die Dichter des Jugendstils orientierten sich ideell weniger an die Romantik, als an die sinnliche Lyrik Goethes. Wichtige Dichter waren Richard Dehmel und der jüngere Alfred Mombert.
Heimatkunst
Bekanntester Autor in Deutschland war Hermann Löns mit seinen in der Heide spielenden Romanen, besonders mit dem Historienroman "Der Wehrwolf", welcher von Überfällen auf Höfe und den Verteidigungsmaßnahmen der Heidebauern im Dreißigjährigen Krieg handelt. Der Erzähler Gustav Frenssen erreichte mit seinen Romanen, darunter "Jörn Uhl", gleichfalls hohe Auflagen.
Expressionismus
Als Initialzündung der expressionistischen Lyrik wird in der Literaturgeschichte oftmals Jakob van Hoddis’ Gedicht "Weltende" von 1911 angeführt
Die Dichterin Else Lasker-Schüler legte bereits mit ihren zweiten Gedichtband Der siebente Tag 1905 eine Lyrik vor, die im Gegensatz zur vitalistischen Vorgängergeneration nicht mehr im Inhalt eine Radikalität einforderte, sondern diese auch formal einlöste.
Gottfried Benn, der gerade die Ausbildung zum Mediziner beendet hatte, erregte 1912 Aufsehen mit dem schmalen Band Morgue, darin er Themen in Prosaversen zur Sprache brachte, die bislang kaum dargestellt wurden.
In Österreich dichtete Georg Trakl eine Lyrik zwischen Symbolismus und Expressionismus, die Traumbilder und Verfall zusammensetzt. Georg Heym hingegen, der ähnlich Trakl aus dem Symbolismus heraus seinen Stil entwickelte, knüpfte Wahn, Dämonie und Schrecken in seinen Gedichten zu einem nicht selten ekstatischen Gesang der Unruhe.
In seinem Frühwerk, unter anderem in der Erzählung "Die Verwandlung" ist Franz Kafka gleichfalls zu den Expressionisten zu zählen. Später nahm er surrealistische Elemente in seinem Werk auf.
Neue Sachlichkeit / Weimarer Republick (1918–1933)
Hintergrund
- Erster Weltkrieg (1914–1918)
- Versailler Vertrag (1919)
- Weimarer Republik (1919–1933)
- Wachsendes Leid der Bevölkerung
- Verstädterung
- Anonymität des Individuums (> Ich-Zerfall)
Motive
- Gegenbewegung zum Naturalismus
- Übertreibung
- Welt sei ohne Moral
- Negative Extreme als Themen (Krieg, Tod, Verfall, Zerstörung, Hinrichtung, Untergang, Wahnsinn, Reizüberflutung) → Darstellung des Hässlichen (Ästhetik des Hässlichen)
- Unordnung und Chaos
- Ich-Zerfall (Individuum wird unwichtig)
- Auseinandersetzung mit Vätergeneration
Merkmale
- Schlagzeilencharakter
- Simultaneität
- Zeilenstil
- Reihungsstil
- Neologismen
- Euphemismen
- Ironie
- Kontrast von Ernstem und Groteskem
Autoren
- Gottfried Benn
- Alfred Döblin
- Jakob van Hoddis
- Franz Kafka
- Else Lasker-Schüler
- Heinrich Mann
- Robert Musil
- Ernst Stadler
- Carl Sternheim
- Ernst Toller
- Georg Trakl
- Robert Walser
- Franz Werfel
Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945)
Exilliteratur
Im Rahmen der Judenverfolgung wurde die Dichter Gertrud Kolmar und Jakob van Hoddis ermordet, der Romancier Ernst Weiß und der Kulturphilosoph Egon Friedell versuchten der drohenden Verhaftung und späteren Ermordung durch Selbstmord vorzukommen. Ebenfalls Jochen Klepper, der die Verfolgung seiner jüdischen Frau fürchtete. Theodor Kramer überlebte 1938 einen Selbstmordversuch. Selbst wem die Flucht gelang, suizidierte sich wie Ernst Toller und Stefan Zweig im Exil. Der bedeutendste Dramatiker neben Brecht und Schöpfer des neuen Volksstück Ödön von Horváth verunglückte in Paris tödlich.
Autoren, die auch im Exil produktiv blieben, waren unter anderem Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Anna Seghers, Franz Werfel und Hermann Broch. Andere, wie Alfred Döblin, Joseph Roth und Robert Musil fanden sich nicht zuletzt wegen ihrer finanziell äußerst angespannten Situation im Exil nur schwer oder gar nicht zurecht, wenngleich sie ihr Werk fortsetzten.
Völkische Literatur
Österreichische Schriftsteller wie Mirko Jelusich und der Dichter Josef Weinheber waren als Unterstützer des Regimes zu Anerkennung und Preise gekommen. Zahlreiche Unterstützer des NS-Regimes wie Wilhelm Schäfer, Agnes Miegel, Emil Strauß und Rudolf G. Binding sowie die zweitrangigen und parteifrommen Börries Freiherr von Münchhausen, Hans Grimm, Erwin Guido Kolbenheyer, Werner Beumelburg, Hans Friedrich Blunck und Hanns Johst erlangten als Mitglieder der Preußische Akademie der Künste Sektion Literatur in der nunmehr parteipolitisch ideologisierten Literaturlandschaft Anerkennung.
Nachkriegsliteratur / Trümmerliteratur (1945–1960/1990)
Hintergrund
- Ende WW II; Kapitulation Deutschlands (8. Mai 1945)
- Vier Besatzungszonen (bzw. in Berlin Vier Sektoren)
- Gründung von DDR und BRD (beide 1949) → Trennung Deutschlands
Motive
- Rückkehr Exilautoren
- Aufarbeitung NS-Zeit vs. Verlangen nach Verdrängung
- Teilung Deutschlands
- unterschiedlicher Umgang mit Vergangenheit:
- im Osten fanden zurückgekehrte Exilautoren großes Interesse in der Öffentlichkeit
- im Westen wurde verdrängt
Autoren
- Arno Schmidt
- Erich Kästner
- Günter Eich
- Heinrich Böll
- Paul Celan
- Sigfried Lenz
- Günter Grass
- Martin Walser
- Siegfried Lenz
- Erich Fried
- Wolfgang Borchert
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