Eine Novelle ist eine Prosaerzählung von begrenztem Umfang. Das Wort Novelle leitet sich aus dem lateinischen novus (neu) und dem italienischen novella (Neuheit) ab und weist damit auf eine "Neuheit" als zentrales Merkmal hin. Als Gattung lässt sie sich nur schwer definieren und oft nur ex negativo von anderen Textsorten abgrenzen.
Inhalt
Geschichte
Als Begründer der Novellentradition, die bis auf die italienische Renaissance zurückgeht, gilt Giovanni Boccaccio aufgrund des von ihm verfassten Decamerone (‚Zehntagewerk‘; 1353;) - einer Sammlung von 100 Novellen die in einer Rahmenerzählung miteinander verbunden sind.). Boccaccios Zeitgenosse Geoffrey Chaucer übernahm diese Formel wenig später in seinen Canterbury-Erzählungen (um 1387).
Charakteristik
Heutzutage bezeichnet der Begriff Novelle eine Prosaerzählung, die vom Umfang her zwischen dem Roman und der Kurzgeschichte angesiedelt ist. Der Umfang liegt in der Regel zwischen 50 und 100 Seiten, aber darüber gibt es keinen Konsens. Eine Novelle zeichnet sich durch eine einfache Struktur und eine geringe Anzahl von Figuren aus. Normalerweise enthält eine Novelle ein besonderes Ereignis und zeigt die Hauptfiguren in einem entscheidenden Moment ihres Lebens.
- In einer Novelle gibt es im Allgemeinen weniger (Konflikt-) Stoff als in einem Roman, dafür aber komplizierter als in einer Kurzgeschichte. Außerdem haben die Elemente mehr Raum, sich zu entwickeln, als in Kurzgeschichten.
- Novellen können, müssen aber nicht in Kapitel unterteilt sein (gute Beispiele für Novellen mit Kapiteln sind "Farm der Tiere" (1945) von George Orwell und "Der Krieg der Welten" (1898) von H. G. Wells), und häufig wird Leerraum zur Unterteilung der Abschnitte verwendet, was bei Kurzgeschichten weniger üblich ist.
- Novellen können wie Kurzgeschichten dazu gedacht sein, in einer einzigen Sitzung gelesen zu werden, und haben daher eine einheitliche Wirkung auf den Leser.
- Die Novelle im Allgemeinen nicht so formal experimentell wie die lange Erzählung und der Roman, und ihr fehlen in der Regel die Nebenhandlungen, die verschiedenen Sichtweisen und die generische Anpassungsfähigkeit, die im Roman üblich sind. Sie befasst sich meist mit der persönlichen und emotionalen Entwicklung und nicht mit dem größeren sozialen Umfeld.
- Die Novelle bewahrt im Allgemeinen etwas von der Einheitlichkeit des Eindrucks, die ein Markenzeichen der Kurzgeschichte ist, aber sie enthält auch eine stärker entwickelte Charakterisierung und eine üppigere Beschreibung.
Beispiele
Innerhalb der deutschen Literatur erlebte das Novellenschaffen seinen Höhepunkt im 19. Jahrhundert, vor allem bei Autoren, die dem poetischen Realismus zuzurechnen sind.
- 1810 — Michael Kohlhaas — Heinrich von Kleist
- 1827 — Jud Süß — Wilhelm Hauff
- 1842 — Die Judenbuche — Annette von Droste-Hülshoff
- 1856 — Mozart auf der Reise nach Prag — Eduard Mörike
- 1856 — Romeo und Julia auf dem Dorfe — Gottfried Keller
- 1885 — Unterm Birnbaum — Theodor Fontane
- 1887 — Bahnwärter Thiel — Gerhart Hauptmann
- 1888 — Der Schimmelreiter — Theodor Storm
- 1889 — Die Kreutzersonate — Lew Tolstoi
- 1900 — Leutnant Gustl — Arthur Schnitzler
- 1902 — Schloss Kostenitz — Ferdinand von Saar
- 1911 — Der Tod in Venedig — Thomas Mann
- 1915 — Die Verwandlung — Franz Kafka
- 1925 — Traumnovelle — Arthur Schnitzler
- 1942 — Schachnovelle — Stefan Zweig
- 1951 — Der alte Mann und das Meer — Ernest Hemingway
- 1961 — Katz und Maus — Günter Grass
- 1978 — Ein fliehendes Pferd — Martin Walser
- 1987 — Die Taube — Patrick Süskind
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