"Homo Faber. Ein Bericht" (1957) ist ein Roman des Schweizer Autors Max Frisch. Der Protagonist, Walter Faber, ist ein erfolgreicher Ingenieur, der im Auftrag der UNESCO durch Europa und Amerika reist. Seine auf Logik, Wahrscheinlichkeit und Technologie basierende Weltsicht wird durch eine Reihe unglaublicher Zufälle in Frage gestellt, als seine verdrängte Vergangenheit und zufällige Ereignisse zusammenkommen, um seine streng rationale, technisch orientierte Ideologie aufzubrechen.
Der Roman, der einige autobiografische Elemente enthält, behandelt einige Schlüsselthemen, die Max Frisch am Herzen liegen: den Konflikt zwischen persönlicher Identität und sozialer Rolle, den Einfluss des Zufalls oder des Schicksals auf unsere Existenz oder die Technik, die im Gegensatz zur Natur und zum Mythos steht. Auch die bei Frisch immer wiederkehrenden Themen der unvollkommenen Beziehung zwischen den Geschlechtern und des gescheiterten Lebens finden sich in diesem Buch wieder.
Inhalt
Zusammenfassung
Der Roman erzählt aus der Ich-Perspektive die Geschichte von Walter Faber, einem Mann in den Fünfzigern, der vom Schicksal gepeinigt wird. Auf einer Reise trifft er den Bruder eines alten Freundes und knüpft damit an eine Vergangenheit an, die er bis dahin verdrängt hatte. Auf einer Schiffsreise nach Paris lernt Faber ein junges Mädchen namens Sabeth (Elisabeth) kennen. Dieser sieht sie einige Zeit später in Paris wieder. Aus Sehnsucht nach ihr und dem Wunsch, sie wiederzufinden, besucht Faber Museen. Er beschließt, das Mädchen auf ihrer Reise nach Griechenland, wo ihre Mutter lebt, zu begleiten. Bei einem Zwischenstopp in Avignon konkretisiert sich ihre Romanze. In dieser Zeit stellt Faber auch eine Verbindung zwischen seiner Vergangenheit und der Gegenwart her. Sabeth ist seine Tochter, und ihre Mutter ist zufällig Hannah, seine ehemalige Verlobte. Diese war von Walter schwanger und sollte abtreiben, was sie jedoch nicht tat. Als sie in Griechenland ankommt, kommt eins zum anderen und Sabeth stürzt und schlägt mit dem Kopf gegen einen Felsen, was später zu ihrem Tod führen wird.
Während der gesamten Geschichte leidet Walter Faber an Magenschmerzen, die er jedoch ignoriert. Dies führt zu Magenkrebs, der ihn zwingt, sich einer Operation zu unterziehen. Faber wird diese jedoch mit Sicherheit nicht überleben. Der Bericht bricht zum Zeitpunkt der Operation ab, der weitere Verlauf ist nicht bekannt.
Handlung
In den 1930er Jahren lernt Walter Faber, der an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) arbeitet, die Kunststudentin Hanna kennen. Die beiden werden ein Liebespaar, und eines Tages offenbart Hanna, dass sie schwanger ist. Faber bittet sie, ihn zu heiraten, aber sie zögert. Faber erhält ein Angebot von Escher Wyss, in Bagdad zu arbeiten, und nimmt es an; er und Hanna trennen sich. Vor seiner Abreise bittet Faber seinen Freund Joachim, sich um Hanna zu kümmern, und Hanna willigt ein, das gemeinsame Kind abzutreiben.
Im Frühjahr 1957 berichtet Faber über die Ereignisse seiner Amerika-Reise. Auf einem Flug von New York nach Mexiko muss sein Flugzeug in der Wüste notlanden. Während des anschließenden Aufenthalts lernt er den Deutschen Herbert kennen, der sich als der Bruder von Joachim, Fabers Freund, entpuppt. Faber hatte seit 1936 nichts mehr von seinem Freund gehört. Faber beschließt, Herbert zu begleiten, der auf dem Weg zu seinem Bruder ist. Nach einer Odyssee durch die Wildnis erreichen sie Joachims Plantage. Doch Joachim hat sich erhängt. Herbert beschließt, zurückzubleiben und die Plantage zu verwalten.
Faber kehrt nach New York City zurück, trifft sich aber mit seiner verheirateten Geliebten Ivy. Um ihrer Beziehung zu entkommen, unternimmt Faber eine ungeplante Kreuzfahrt nach Europa. Auf dieser Reise lernt er eine junge Frau kennen, Sabeth, in die er sich verliebt. Am Ende der Reise macht er Sabeth einen Heiratsantrag, aber sie ist mit einem männlichen Freund unterwegs. Faber und Sabeth treffen sich in Paris wieder, und Faber beschließt, Urlaub zu machen und Sabeth auf einen Roadtrip durch Europa zu begleiten, wo sie auch eine sexuelle Beziehung beginnen. Faber nennt die Reise sogar ihre "Flitterwochen".
Aus einer Vorahnung heraus fragt er Sabeth nach dem Namen ihrer Mutter und sie antwortet "Hanna". Faber hofft immer noch, dass Hanna ihr Kind abgetrieben hat, aber es stellt sich bald heraus, dass Sabeth seine Tochter ist. In Griechenland, wo Hanna jetzt lebt, wird Sabeth von einer giftigen Schlange gebissen. Sie stürzt rückwärts, nachdem sie Walter nackt aus dem Meer auftauchen sieht, und wird bald darauf von Faber ins Krankenhaus gebracht. Dort trifft er seine frühere Liebe Hanna wieder. Glücklicherweise überlebt Sabeth den Schlangenbiss. Allerdings stirbt sie plötzlich an einem unbehandelten Schädelbruch, den sie sich bei dem Sturz zugezogen hat. Faber fühlt sich in gewisser Weise schuldig, da er Sabeths Sturz nicht erwähnt hatte.
Von Kummer und Magenkrebs geplagt, erkennt Faber die Schönheit, die er verpasst hat, und findet in Hanna Erlösung. Am Ende der Erzählung liegt Faber im Krankenhaus, wo er wegen seines Magenkrebses operiert werden soll; er rechnet optimistisch mit seiner Überlebenswahrscheinlichkeit und macht seinen letzten Tagebucheintrag.
Figuren
Eine Liste der wichtigsten Figuren (Charaktere & Personen) des Romans "Homo Faber":
- Walter Faber ist der Protagonist des Romans. Er ist ein Ingenieur und Technologe, der für die UNESCO arbeitet. Geboren und aufgewachsen in der Schweiz, lebt er heute in einer Wohnung in New York City, reist aber beruflich viel durch Europa und Südamerika. Walter war noch nie verheiratet.
- Sabeth, oder Elisabeth, ist die 20-jährige Tochter von Walter und Hanna. Sie wurde in der Schweiz geboren und glaubt, dass Joachim ihr Vater ist. Sie spricht Englisch, Deutsch und Französisch.
- Hanna Piper (geb. Landsberg) ist die in Deutschland geborene halbjüdische Mutter von Sabeth. Ehemals Walters Geliebte, heiratete sie Joachim und später Herrn Piper. Sie arbeitet an einem Kunstinstitut in Athen, Griechenland.
- Joachim Henke war Walters deutschstämmiger Freund, der eine Ausbildung zum Arzt absolvierte. Er heiratete Hanna, aber sie trennten sich, nachdem sie sich weigerte, weitere Kinder mit ihm zu bekommen. Sabeth glaubt, dass er ihr Vater ist. Nach der Trennung von Hanna meldete sich Joachim zur deutschen Armee und kämpfte im Zweiten Weltkrieg; Hanna und Sabeth sahen ihn nie wieder. Jahrzehnte später zog er nach Guatemala, um eine Tabakplantage zu betreiben. Wenige Wochen nach seiner Ankunft beging er Selbstmord.
- Herbert Henke ist Joachims Bruder, der Walter im Flugzeug kennenlernt. Er ist bei der gleichen Firma angestellt, die Joachim nach Guatemala geschickt hat.
- Ivy ist Walters verheiratete amerikanische Geliebte, die einmal in der Woche nach New York kommt, um Walter und ihren Psychiater zu sehen.
Chronologie
Die Daten beziehen sich auf die Publikationen des Romans seit der Taschenbuchausgabe 1977. Frühere Ausgaben, insbesondere die Erstausgabe von 1957 sowie die Ausgabe der Gesammelten Werke, sind abweichend datiert, beginnend mit Fabers Abflug von New York am 1. April.
Die zeitlichen Angaben des Jahres 1957 beruhen auf einer Auflistung von Klaus Müller-Salget. Da nicht alle aufgeführten Eckdaten konkret im Roman benannt werden, sondern auf Rückrechnungen basieren, lassen sich in anderen Quellen andere Daten finden.
Erste Station
- 25. März — Abends: Fabers Abflug von New York
- 26.–29. März — Notlandung und Aufenthalt in der mexikanischen Wüste (Tamaulipas)
- 1. April — Ankunft in Campeche
- 2.–3. April — Zugfahrt nach Palenque
- 7. April — Vollmondfest in Palenque
- 8.–12. April — Fahrt zur Plantage in Guatemala (Luftlinie ca. 70 Meilen)
- 14. April — Beginn der Rückfahrt nach Palenque
- 20. April — Abflug von Caracas (Venezuela)
- 21. April — Ankunft in New York, wo Ivy wartet
- 22.–30. April — Schiffsreise von New York nach Le Havre
- 29. April — Fabers 50. Geburtstag, Heiratsantrag an Sabeth
- 1. Mai — Paris
- 13. Mai — Mondfinsternis in Avignon, verbringt Nacht mit Sabeth
- 14.–25. Mai — gemeinsame Italienreise, Überfahrt nach Patras
- 26.–27. Mai — Nacht in Akrokorinth
- 27. Mai — mittags: Sabeths Unfall am Strand von Theodohori
- 27. Mai — Ankunft in Athen, Wiedersehen mit Hanna
- 28. Mai — morgens bis mittags: abermals Fahrt nach Theodohori; 14 Uhr: Tod Sabeths durch Hirnblutung
Zweite Station
- 1. Juni — New York, Party bei Williams
- 2. Juni — Flugreise nach Mérida
- 4.–5. Juni — Fahrt nach Palenque. Weiterfahrt zur Plantage in Guatemala
- 20. Juni–8. Juli — Aufenthalt in Caracas, ab 21. Juni verfasst Faber, während seines durch Magenbeschwerden bedingten Hotelaufenthalts, den ersten Teil des Berichts
- 9.–13. Juli — Faber in Havanna (Kuba)
- 15. Juli — Düsseldorf, Filmvorführung bei der Hencke-Bosch GmbH, Abreise per Zug
- 16. Juli — Zürich, Treffen mit Professor O.
- 18. Juli — Athen
- Ab 19. Juli — Krankenhaus in Athen, wo Faber den zweiten Berichtsteil und das kursiv gesetzte Tagebuch verfasst
- Termin im August — 8:05 Uhr: Operation; die Aufzeichnungen brechen ab.
Themen
Es gibt mehrere Hauptthemen in diesem Roman. Das Thema der Technologie als Philosophie beschreibt den Glauben, dass alles möglich ist und dass die Technologie den Menschen erlaubt, alle Aspekte ihres Lebens zu kontrollieren. Diese Ansicht wird im Laufe des Romans durch die Ereignisse widerlegt. Technische Pannen markieren Schlüsselpunkte in der Geschichte (und in Walters Leben), bis hin zu der bevorstehenden Operation, die er ganz am Ende erwähnt und die somit implizit zu seinem Tod führen wird.
Fabers Ablehnung von Literatur und allem, was mit Mythen und Kunst zu tun hat, spielt auch in das Thema Schicksal versus Zufall hinein, das in der Handlung vorherrscht. Faber ist sich der verschiedenen mythologischen Motive und Wendungen nicht bewusst, die seine Geschichte in die Nähe einer modernen Tragödie rücken, auch wenn sie sich ausgerechnet in Griechenland und Rom abspielt.
Außerdem werden die Ereignisse in Homo Faber so dargestellt, dass sie entweder als eine Aneinanderreihung von Zufällen erscheinen, die zu einem unwahrscheinlichen Ergebnis führen, oder als eine Abfolge von vorherbestimmten Handlungen und Entscheidungen, die zu einem notwendigen Ergebnis führen. Diese Dichotomie spiegelt sich in einer größeren Reihe von scheinbaren Antinomien wider: Glaube oder Vernunft, modernes Wissen oder alter Glaube, freier Wille oder Vorbestimmung. Walter löst diesen Konflikt nie auf.
Das Thema des Reisens spielt im Roman eine wichtige Rolle. Walter ist ständig unterwegs und besucht mehrere Kontinente, fast ein Dutzend Länder und Dutzende von Städten, sowohl geschäftlich als auch zum Vergnügen, und nutzt dabei viele verschiedene Verkehrsmittel. Dieses ständige Reisen unterstreicht Walters Gefühl der Entwurzelung: Er hat keine Familie, kein richtiges Zuhause und kein richtiges Land. Durch das Reisen ist es Walter möglich, feste Bindungen zu vermeiden, sich der Verantwortung zu entziehen und völlig unbekannt und unbeurteilt zu bleiben.
Adaptionen
- Der Roman wurde 1991 unter der Regie von Volker Schlöndorff und mit Sam Shepard und Julie Delpy in den Hauptrollen verfilmt. Er Erfolg war recht bescheiden.
- Im Jahr 2014 verfilmte Richard Dindo den Roman erneut in einer Mischung aus Dokumentarfilm und Spielfilm unter dem Titel "Homo Faber (drei Frauen)".
- Stefan Pucher inszenierte Homo faber am Schauspielhaus Zürich 2004 in einer musikalischen Revue mit gleich sechsfacher Hauptfigur.
- Volkmar Kamm spaltete in seiner Inszenierung am Alten Schauspielhaus Stuttgart von 2007 den Protagonisten in einen Berichtenden und einen Erlebenden, „Homo“ und „Faber“ auf.
Literatur
- Hans Geulen: Max Frischs „Homo faber“. Studien und Interpretationen. De Gruyter, Berlin 1965.
- Manfred Jurgensen (Hrsg.): Materialien. Max Frisch: „Homo faber“. Klett, Stuttgart 1999, ISBN 3-12-357800-3.
- Melanie Rohner: Farbbekenntnisse. Postkoloniale Perspektiven auf Max Frischs „Stiller“ und „Homo faber“. Aisthesis, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8498-1063-4.
- Walter Schmitz (Hrsg.): Frischs Homo Faber. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-38528-3.
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