Literaturkritik ist eine mehr oder weniger nachdenkliche (und meist schriftliche) Reaktion (Untersuchung, Bewertung und Interpretation) auf einen literarischen Text. Dies kann in Form einer Rezension in einer Zeitung, eines langen kritischen Beitrags in einem Buch geschehen.
Inhalt
Merkmale
Es gibt immer ein Werturteil über die Geschichte, das bestenfalls durch Argumente gestützt wird. Die Argumente können unterschiedlich sein und treten oft in Kombination auf:
- Ästhetische Argumente (Ist die Geschichte schön oder überraschend geschrieben?)
- Moralische Argumente (Handeln die Figuren gut oder schlecht?)
- Strukturelle Argumente (Ist die Geschichte logisch aufgebaut?)
- Literaturgeschichtliche Argumente (Bietet die Geschichte Innovationen?)
- Emotionale/emotionale Argumente (Berührt mich die Geschichte?)
- Realistische Argumente (Ist die Geschichte glaubwürdig?)
- Beabsichtigte Argumente (Was ist die Botschaft?)
- Stilistische Argumente (Ist der Stil und die Formulierung besonders/gut?)
Eine solche Kritik geht über eine Zusammenfassung und ein Werturteil hinaus: Sie analysiert und interpretiert das Buch und stellt es in einen breiteren Rahmen. Liegt der Schwerpunkt auf dem Werk selbst, spricht man von ergozentrischer Kritik (vgl. close reading). Wenn sich der Kritiker hauptsächlich mit der Person und den Ideen des Schriftstellers beschäftigt, spricht man von personalistischer Kritik. Dies ist in der niederländischen Literatur als "Form-oder-Ventil"-Debatte bekannt.
Kritiker
Vorbereitet wurde die deutschsprachige Literaturkritik im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert von der philologischen Textkritik, die ihre Anregungen französischen Denkern wie Pierre Bayle verdankte.
Die folgende Liste nennt – sortiert nach deren jeweiligem Geburtsjahr – einige der wichtigsten Literaturkritiker im Deutschsprachigen Raum:
- Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781)
- Moses Mendelssohn (1729–1786)
- Friedrich Nicolai (1733–1811)
- Johann Gottfried Herder (1744–1803)
- Friedrich Schlegel (1772–1829)
- Ludwig Börne (1786–1837)
- Heinrich Heine (1797–1856)
- Moritz Heimann (1868–1925)
- Hermann Bahr (1863–1934)
- Karl Kraus (1874–1936)
- Kurt Tucholsky (1890–1935)
- Friedrich Sieburg (1893–1964)
- Hans Mayer (1907–2001)
- Golo Mann (1909–1994)
- Hilde Spiel (1911–1990)
- Marcel Reich-Ranicki (1920–2013)
- Walter Jens (1923–2013)
- Joachim Kaiser (1928–2017)
Geschichte
Aristoteles gilt als Initiator der Literaturkritik, so der Diskurs LIII des Dion von Prusa1. Der Akademiker Félicien Marceau hält das Pastiche für die höchste Form der Literaturkritik, was durchaus verständlich ist, wenn man an den Begriff der Nachahmung denkt, der den Alten so am Herzen lag.
Obwohl die Qualität der Literatur schon immer diskutiert wurde - Aristophanes' Komödie "Die Frösche" aus dem Jahr 405 v. Chr. mag als Anfang gelten - entstand die Literaturkritik als Genre im Frankreich und England des 18. Jahrhunderts. Mündliche, improvisierte Literaturkritik wurde unter anderem in der deutschen Nachkriegsgruppe 47 und in literarischen Radio- oder Fernsehsendungen wie den französischen "Apostrophes" (mit Bernard Pivot) und dem deutschen "Literarischen Quartett" (mit Marcel Reich-Ranicki) geübt.
Heute koexistieren in den literaturwissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten weitgehend literaturtheoretische und kontinentalphilosophische Ansätze, während die konventionellen Methoden, die zum Teil von den New Critics geprägt sind, weiterhin aktiv sind. Die Meinungsverschiedenheiten über die Ziele und Methoden der Literaturkritik, die während des "Aufstiegs" der Theorie beide Seiten der Kritiker charakterisierten, sind zurückgegangen. Viele Kritiker sind der Meinung, dass sie heute über eine große Vielfalt an Methoden und Ansätzen verfügen, aus denen sie wählen können.
Einige Kritiker arbeiten hauptsächlich mit theoretischen Texten, während andere traditionelle Literatur lesen; das Interesse am literarischen Kanon ist nach wie vor groß, aber viele Kritiker interessieren sich auch für nicht-traditionelle Texte und Frauenliteratur, während einige von den Kulturwissenschaften beeinflusste Kritiker populäre Texte wie Comics oder Pulp/Genre-Fiction lesen. Und die Postkritik hat versucht, neue Wege des Lesens und der Reaktion auf literarische Texte zu entwickeln, die über die interpretativen Methoden der Kritik hinausgehen. Viele Literaturkritiker arbeiten auch in der Filmkritik oder den Medienwissenschaften.
Zitate
- „Der Scharfsinn des Kritikers erweist sich besonders an neuen Schriften, die noch nicht durch das Publikum erprobt sind. Erraten, vorauseilen, auf den ersten Blick beurteilen, das ist die Gabe des Kritikers. Wie wenige besitzen sie!“ – Charles-Augustin Sainte-Beuve: Chateaubriand
- „Die Kritik ist etwas Wandelbares: Sie geht hervor aus den Ansichten der Zeit.“ – Heinrich Heine
- „Schlagt ihn tot, den Hund! Er ist ein Rezensent.“ – Oft zitierte Verszeile aus einem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe als Antwort auf eine Rezension zu seinem Theaterstück Götz von Berlichingen aus dem Jahr 1773.
- „Die Kritik ist eine Bürste, die man bei leichten Stoffen nicht verwenden darf, weil sie da alles wegnähme.“ – Honoré de Balzac
- „Je besser ein Werk ist, desto mehr Kritik zieht es an. Es ist wie mit den Flöhen, die sich auf weiße Wäsche stürzen.“ - Gustave Flaubert
- „Kritiker sind blutrünstige Leute, die es nicht bis zum Henker gebracht haben.“ – George Bernard Shaw
- „Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen.“ – Friedrich Schlegel
- „Die Kritik ist für den Künstler das, was die Fliege für das Rennpferd ist. Sie sticht es, aber sie hält es nicht auf.“ - Voltaire
Literatur
- Volker Hage: Kritik für Leser. Vom Schreiben über Literatur. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009. ISBN 978-3-518-46107-5
- Brigitte Schwens-Harrant: Literaturkritik. Eine Suche. Studienverlag, Innsbruck 2008, ISBN 978-3-7065-4642-3.
- Theo Breuer: Kritiker in der Kritik. In: Aus dem Hinterland. Lyrik nach 2000. Edition YE, Sistig/Eifel 2005, ISBN 3-87512-186-4, S. 129–142.
- Thomas Anz, Rainer Baasner (Hrsg.): Literaturkritik – Geschichte, Theorie, Praxis. München 2004, ISBN 3-406-51095-7.
- Wilfried Barner: Literaturkritik – Anspruch und Wirklichkeit. DFG-Symposion 1989. Stuttgart 1990.
- René Wellek: Geschichte der Literaturkritik 1750–1950. 4 Bände. Berlin u. a. 1978 ff.
- Jörg Drews: Literaturkritik – Medienkritik. Heidelberg 1977
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